5 Wochen Tour - 6 Länder, 4.800 km, ein Unfall und unendlich viele schöne Augenblicke!

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  • Jetzt haben wir es also doch noch geschafft, trotz Corona und diverser Beschaffungs- und Kompatibilitätsprobleme. (Rückenlehne, Gepäckträger, Sitzbank, C-Bow, Fußbretter vorne und tiefergelegte Fußbretter hinten).

    Wir sind über Frankreich, Spanien, Monaco, Italien und Österreich nach Deutschland zurückgekehrt. Und dieses noch mit echten Landkarten am Tankrucksack! Primär haben wir uns an der Wettervorhersage orientiert und erst morgens beim Kaffee den Tag geplant.

    Zunächst mein großes Lob an Stefan Schacht (http://www.takeseat.de) für die sensationell verbesserte und verschönerte Sitzbank. Da sollte BMW mal in die Lehre gehen… Wir haben selbst bei der schlechtesten Straße keine Klagen gehabt. Und das trotz des unsäglichen Stoßdämpfers der R18!

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    Von spätsommerlicher Hitze bis Schneetreiben in den Dolomiten haben wir alles erlebt. Auch sämtliche Straßenbeläge konnten wir testen. Das ABS funktioniert ordentlich. Sand, Wasser und Schnee kein Problem, bei grobem Schotter kommt es an seine Grenzen.

    Der Motor der BMW ist stark. Auch zu zweit mit vollem Gepäck in den italienischen Bergpässen hatte ich nie das Gefühl, auch nur ein PS zu wenig zu haben. Wenn man Gas gibt, zieht er los. Egal ob im Roll- oder Rockmodus. Auf die drei Modi kann man eigentlich getrost verzichten, ich habe keinen Mehrwert oder Spaßzuwachs finden können und bin fast ausschließlich gerollt.

    Lediglich beim „Gemütlichfahren“ im dritten Gang so bei Tempo sechzig (Rund 2.000 rpm) wirkt der Motor, als ob man alle drei Meter über eine kleine Querrille fährt. Haben das andere hier im Forum auch? Dann sollte BMW nochmal überprüfen, wie die Kolben wann zu welcher Unwucht führen. Das kann man sicherlich elektronisch ausgleichen. (Ich hoffe, das war laienhaft genug ausgedrückt.)

    An die etwas unruhige Motorbremse beim spontanen Gaswegnehmen muss man sich wohl gewöhnen. Warum eigentlich?

    Der Tempomat ist sehr angenehm, wenn man mal längere Stücke auf ausgebauten Landstrassen oder der Autobahn fahren möchte. Anregung für BMW: mit kalten Fingern und dicken Handschuhen ist das ein ziemliches Gefummel. Macht doch die beiden Hebel etwas größer und weiter auseinander! Auch der Blinkerhebel könnte größer sein.

    Die Griffheizung bullert richtig gut, dringende Empfehlung für jeden, der über die Fahrt zur Eisdiele hinauskommt. Die drei Stufen sind perfekt.

    Bild: Wetterumschwung in Italien

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    Die Optik der Maschine gefällt mir nach der langen Tour noch immer ausgesprochen gut. Der Blick auf den Tacho vor dem „alten“ Scheinwerfer ist einfach sensationell. Wir sind in Italien sehr oft von Einheimischen angesprochen worden, in Spanien und Frankreich selten. Deutsche haben uns ständig angequatscht und erzählten, was sie noch zuhause in der Garage stehen haben. Bei den Motorradreisenden, primär aus den Niederlanden und Deutschland ist der Prozentsatz GS sehr hoch und entsprechend das Interesse an der R18.

    Bild: Heuernte im Beaujolais

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    In einem Kreisel in Südfrankreich hat uns ein 81-jähriger Franzose mit seinem Renault angefahren. Wir fielen mit der Maschine um, er fuhr weiter. Riesenglück, das wir beide die Füße irgendwie auf den Boden bekamen, anstatt unter das Mofa. Die Kombination von Zylinderkopf und Seitenpacktasche hat viel abgefangen! Es kam also „nur“ zu diversen Kratzern und Dellen auf der rechten Seite, einer Delle am Auspuff links (Stiefelabsatz) und zu beschädigten Seitentaschen. Die Trittbrettverlängerungen hinten hat es beide zerbrochen. Das Motorrad blieb fahrbereit, nun aber ohne hintere Fußbretter.

    Ich konnte mir zum Glück das Nummernschild merken und hatte zusätzlich zwei Zeugen im Auto hinter mir sitzen, die auch anhielten und uns ihre Daten gaben. Wir sind dann zur Police National gefahren. Die sind eigentlich nicht zuständig, solange es keinen Personenschaden gibt. Waren dann aber sehr hilfsbereit, haben den Fahrer ermittelt, angerufen und sofort einbestellt. Das gute Ende vom Lied: Wir haben einen französischen Schadensbericht nach EU-Norm, von der Beamtin ausgefüllt, Unfallzeugen und einen Unfallgegner, der keinerlei Ärger machte. Jetzt kann ich mich mit der französischen Versicherung auseinandersetzen.

    Tipp 1: grüne Versicherungskarte mitnehmen, auch wenn sie nicht mehr zwingend vorgeschrieben ist. Hilft bei der Polizei ungemein. Tipp 2: in Frankreich heißt das Unfallformular „Constat Amiable D‘Accident Automobile“. Sowas gibt es wohl für jedes europäische Land, auch auf deutsch und sogar zweisprachig. Da werden alle wichtigen Daten beider Unfallteilnehmer eingetragen.

    Eine Weiterfahrt ohne Fussbretter für die Sozia ging ja nicht. Großer Zufall: es gibt in Frejus eine große BMW-Motorrad-Niederlassung. So was von hilfsbereit habe ich vorher noch nicht erlebt! Die Mutter aller Freundlichen muss da gelebt haben! Erst haben sie versucht, die Trittbretter einer R18 bagger anzuschrauben. Die passten aber nicht an die FE (!) Da hat es BMW mal wieder auf unser Sparbuch abgesehen und die Aussparungen der Befestigung millimeterweise verändert.

    Normale Rasten wollten wir nicht, so dass wir die vorhandenen Trittbretter (von Harley D.) dann ohne die zerbrochene Tieferlegung angeschraubt bekamen. Und berechnen wollte die Werkstatt dafür auch nichts!

    Ich habe mir fest vorgenommen, im nächsten Leben mehr als nur Speisekartenfranzösisch zu lernen und noch in diesem Leben mindestens zwei Drittel meiner Vorurteile gegenüber den Franzosen sofort abzulegen. Der Polizei und den Schraubern in Frejus sei Dank!

    Wir sind dann gemütlich weiter am Meer entlanggefahren, in Richtung Riviera Italien. Östlicher Schlußpunkt war Sestri Levante. Traumhaft.

    Wir wollten eigentlich bis Slowenien, dann kam aber ein heftiges Tief aus Südwest mit Temperatursturz, Starkregen und Sturm.

    Bild: Dolomiten mit Neuschnee pasted-from-clipboard.png

    Wir sind nach Norden „geflüchtet“. In Südtirol waren die Temperaturen aber auch schon zehn Grad niedriger. Nach fünf Wochen kamen wir wieder zuhause an. Slowenien bleibt nun übrig als Ziel für die nächste Tour.

    Weitere motorradspezifische Tourergebnisse:

    Öl ist an der hinteren Achse ausgetreten genau wie im Beitrag „Kardan Getriebe“ beschrieben. Winkelgetriebe, Radialwellendichtring Pos. 3. Mache ich bei der nächsten Inspektion.

    Die Akustik dieses Motorrades wird bei uns Fahrern wohl immer umstritten bleiben. Jaulend, wimmernd, pfeifend, rasselnd wie eine alte ostasiatische Strickmaschine, ich habe jetzt alle Tonlagen durch. Schwankend zwischen Tenor und Bariton, einen ordentlichen Bass konnte ich bei keiner Drehzahl in keinem Gang entdecken. Wohlgemerkt, es geht nicht um Lautstärke, sondern um angenehmen Klang. Ich mag leise Motorräder, dennoch dürfen die gut klingen. Da müssen die Soundingenieure bei BMW noch eine Menge Überstunden machen.

    Die Warnlampe Öltemperatur funktioniert zuverlässig, nach einer halben Stunde stop-and-go in der abendlichen rushhour einer französischen Großstadt. Dann muss man Pause machen zum Abkühlen. Das ist auch gut so, denn der viel zu schwergängige Kupplungshebel hat die Hand im stop and go entsprechend gequält, dass auch sie nach Pause schrie.

    Die Reserveanzeige nervt. Wenn sie anspringt, erschreckt man erstmal. Das Dauerblinken ist echt lästig, zumal man dann schon wieder rumfummeln muss, um das wegzukriegen. Sie ist aber relativ konstant in der Meldung, es sind immer so um die gut vier Liter im Tank übrig.

    Eine Anzeige Volt ist überflüssig, genauso die Anzeige in Meilen und der Durchschnittsverbrauch. Stattdessen dachte ich in den Bergen, dass eine Temperaturanzeige ganz sinnvoll sein könnte, als es zu schneien anfing!

    pasted-from-clipboard.png Bild: alter Grenzübergang bei Cerbere/Port Bou.

    Fazit: Man kann mit unserem Mofa nach diversen Umgestaltungen problemlos lange Touren fahren, auch zu zweit. Motor top, Straßenlage auch zu zweit und mit viel Gepäck tadellos. Im Vergleich zu einem „echten“ cruiser fühle ich mich in den Kurven mit der R18 sicherer, bedingt durch die andere Sitzhaltung. Andererseits fehlt natürlich die Möglichkeit, die Beine mal richtig gammelig nach vorne zu legen und (gefühlt) cool zu posen.

    Ich denke, dass ich einen wunderbaren Rohdiamanten gekauft habe, allerdings zum Preis eines bereits fertig geschliffenen.

  • Klasse Bericht!

    Frei nach Reinhard Mey: Ich wäre gerne mitgefahren.

    Und wenn die R 18 ist honDa *), dann ist das auch klasse.

    *) heute ohne nennenswerte Defekte angekommen

    Lassen sie mich Arzt, ich bin durch!

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  • Martin, vielen Dank für den sehr eindrucksvollen Reisebericht, der meines Erachtens auch weitgehend alle bisher bekannten Stärken und Schwächen der R18 bestätigt. Besonders gefällt mir dein vorzüglich auf den Punkt gebrachtes Fazit am Ende deines Berichtes. VG Jörg

    :applaus

  • Danke für deinen sehr schönen Bericht und Hut ab, Martin❗️❗️❗️ Ich weiß nicht, ob ich den Mut zu so einer langen Tour hätte - brauch ich mir aber auch die nächsten 15 Jahre keine Gedanken drüber machen, weil mir die Zeit dazu leider fehlt.

  • Hallo Martin,

    Ich bin beeindruckt, schreib ein Buch drüber, Du hast es echt drauf!!! Wunderbarer Bericht über eine Traumtour und mein Traummotorrad!!!

    LG

    Michael

  • Danke für deinen sehr schönen Bericht und Hut ab, Martin❗️❗️❗️ Ich weiß nicht, ob ich den Mut zu so einer langen Tour hätte - brauch ich mir aber auch die nächsten 15 Jahre keine Gedanken drüber machen, weil mir die Zeit dazu leider fehlt.

    Vielleicht sollte man sich einfach die Zeit dazu nehmen….

    LG

    Michael

  • Eine tolle Tour, die ihr sicher nicht vergessen werdet!

    Und ein sehr schöner Bericht, den du für uns geschrieben hast, vielen Dank Martin! :handshake.....und viel Erfolg beim Richten deiner Dicken. Sie soll ja sicher mindestens so schön wie vorher werden :enorm

  • Vielleicht sollte man sich einfach die Zeit dazu nehmen….

    LG

    Michael

    Würd ich schon ganz gerne, ist aber mit Frau, Kindern und 2 Vierbeinern nicht so einfach. 3-4 längere Wochenenden müssen wohl vorerst reichen. Und leider hab ich wie wohl die meisten berufstätigen „nur“ 30 Urlaubstage im Jahr…

    Werd ich im Ruhestand aber sicher nachholen 😉

  • Guten Tag

    Super Bericht, der zeigt, dass wir mit der FE lange Reisen machen können.

    Ich möchte wissen, welcher Gepäckträger verwendet wurde und welches Gesamtgewicht er mit den 2 Taschen trägt?

    Was haben Sie als Seitentaschen verwendet und wie viel Gewicht haben sie jeweils gehalten?

    Bravo nochmal für diese tolle Bewertung.

    Grüße .

  • Schau mal das Foto hier im Forum im Beitrag "Soziussitz und Trittbretter hinten" ab Nr. 26 an. Da siehst Du die einzelnen Komponenten.

    Der Gepäckträger von Holan hat so um die 20 kg aushalten müssen, die beiden Seitentaschen von Hepco Becker mit C-bow-Befestigung jeweils 5 kg. Einen Teil des Gewichtes hat natürlich die Rückenlehne von Wunderlich auffangen können.

    Grüße

    Martin